Teile und herrsche, ein Satz den die alten Römer geprägt haben und der Studenten der Informatik im Fach Algorithmen so lange eingeschärft wird bis sie ihn nie wieder vergessen und in allen Lebensbereichen anwenden.
Was bedeutet nun dieses Prinzip (abgesehen von dem was die alten Römer dachten, dass es bedeutet)? Man nimmt sich ein komplexes Problem vor und teilt es in viele kleinere Teilprobleme auf, die lösbar (beherrschbar) sind. Und aus diesen vielen kleinen Teillösungen setzt man dann die Lösung für das Gesamtproblem zusammen. Weil Problem etwas negativ behaftet ist außerhalb der Informatik können wir auch Herausforderung dazu sagen.
Und was hat das alles mit der Pferdeausbildung zu tun?
Ausgangssituation im Sommer 2014:
3,5-jähriges Pferd, kennt Spazierengehen am Halfter, Putzen, Schmied, Waschen, usw.
Angestrebte Zielsituation Sommer 2015:
entspannt und harmonisch reiten in allen Gangarten sowohl auf dem Viereck als auch im Gelände.
Eine komplexe Herausforderung also, das Ziel ist klar aber der Weg dorthin vielleicht noch nicht. Einfach draufloslegen kommt für Technikerinnen nicht in Frage, ein Plan muss her und folgende Meilensteine hatten wir identifiziert:
- Pferd lässt sich in allen Gangarten am Kappzaum longieren (vertraut mit Kommandos und Signalen) bzw. vom Boden arbeiten
- Pferd ist mit Sattel vertraut
- Pferd ist mit Zaum und Trense vertraut
- Pferd ist mit Reitergewicht vertraut
- Pferd ist mit Kommandos und Signalen des Reiters vertraut
- Pferd vertraut dem Reiter in unbekannten Situationen (draußen)
Diese Meilensteine sind schon die erste Anwendung des Teile und Herrsche Prinzips, aber wir gehen noch einige Schritte weiter. Wir zerlegen uns eine Aufgabe in so minimale Teilschritte, dass es dem Pferd gar nicht auffällt, dass es etwas gelernt hat oder gar Stress oder Angst zeigt. Damit gönnen wir uns (und dem Pferd) eine Serie von minimalen Erfolgserlebnissen, die letzten Endes zur Lösung unserer komplexen Herausforderung führen.
Hier ein Praxisbeispiel für den Meilenstein „Pferd ist mit Sattel vertraut“
- Beim Putzen ein Handtuch auf den Rücken legen
- Pferd mit Handtuch auf dem Rücken herumführen (starker Wind könnte dir den Plan versauen)
- Pferd eine leichte Satteldecke auflegen
- Leichte Decke anziehen
- Pferd mit leichter Decke herumführen
- Leichte Decke mit elastischem Deckengurt (locker) fixieren
- Satteldecke mit elastischem Deckengurt fixieren
- Pferd longieren und in allen Gangarten mit der Satteldecke und dem Deckengurt herumlaufen lassen
- Elastischen Deckengurt durch Longiergurt ersetzen
- Leichten Kunststoffsattel auflegen (keine Steigbügel eingehängt)
- Sattelgurt von leichtem Kunststoffsattel vorsichtig schließen (wir bevorzugen auch hier einen elastischen Gurt)
- Pferd im Schritt mit Sattel herumführen
- Lange Spaziergänge im Schritt mit Sattel machen
- An der Hand mit Sattel drauf traben
- Longieren mit Sattel in allen Gangarten
- Anbringen der Steigbügel (hochgezogen, nur Gewöhnung ans Gewicht)
- Schrittgehen mit Steigbügeln am Sattel
- Longieren mit Steigbügeln am Sattel
- Steigbügel baumeln lassen im Schritt
- Passenden Sattel wählen, der dann auch für Reiten verwendet wird, ev. mehrere Modelle probieren
- Mit dem Sattel herumführen, lange Spaziergänge machen
- Mit passendem Sattel und Steigbügeln (hochgezogen) in allen Gangarten longieren
Hiermit haben wir unseren Meilenstein in 22 kleine Schritte aufgeteilt die absolut stressfrei machbar sind, wenn man einige Parameter beachtet
- Wir haben fast jeden Tag mit Lola gearbeitet
- Zeitdauer für die einzelnen Trainingseinheiten ca. 10 – 15 min, nur Spaziergänge sind länger
- Bewegen des Pferdes war nicht das Ziel, sie hatte Koppelzeit und war in der Schrittmaschine
- Wir waren immer zu zweit (Sicherheit und Feedback)
- Wir hatten ein ruhiges Umfeld zum trainieren
- Wir hatten erfahrene Ausbildner auf dem Hof, die wir um Unterstützung bitten konnten
- Unsere Vereinbarung war – wir starten erst mit dem nächsten Ausbildungsschritt, wenn uns allen dreien der aktuelle schon extrem langweilig vorkam.
Mit dieser Methode war das Anreiten für alle Beteiligten sehr sicher und entspannt und wir konnten 4-Jährig auch erfolgreich an einer Jungpferdeprüfung teilnehmen. Stefanie und ich hatten davor schon Erfahrung in der Ausbildung von Jungpferden gesammelt, wir waren also keine gänzlichen Neulinge auf dem Gebiet, jedoch will man es beim eigenen Fohlen immer besonders gut und richtig machen… so wie bei den eigenen Kindern… war vielleicht gut, dass ich vor den Kindern schon den Perfektionsanspruch in der Pferdeausbildung aufgeben musste…
Wie geht es Euch damit? Wie bereitet ihr Lernaufgaben für eure Pferde auf? Wie wagt ihr euch an schwierige Lektionen heran?