Lolas fünftes Lebensjahr begann mit jeder Menge Untersuchungen und verschiedenen Behandlungs- und Trainingsansätzen. Im Frühling gesellten sich weitere Auffälligkeiten dazu. Unser Training war geprägt von diffusen Lahmheiten, die man oft nicht einem bestimmten Bein zuordnen konnte und die sich auch von einem Tag auf den anderen ändern konnten. Manchmal hatte man auch das Gefühl ein Bein tritt einfach minimal kürzer als das andere. Oft waren diese Bewegungseinschränkungen nur für den Reiter spürbar, von unten nicht zu sehen. Als Reiter hat man das Gefühl, dass es ein wenig rumpelt, dass die Bewegung nicht von hinten nach vorne durchschwingt oder die Bewegungen der Vorder- und Hinterhand nicht synchronisiert sind. Dazu kam immer öfter eine schleifende Hinterhand, man konnte sogar an den Hufen die Abnützung sehen.
- Wechselnde Lahmheiten
- Bewegung der Vorder- und Hinterhand entkoppelt
- Schleifende Hinterhand
All die genannten Faktoren führten dazu, dass Paraden immer weniger Wirkung zeigten, man könnte es als mangelnde Versammlungsbereitschaft zusammenfassen. Leider kam dazu noch eine weitere höchst unangenehme Begleiterscheinung. Wenn sich Lola im Laufe einer Trainingseinheit zunehmend entspannte, wurden die Knie so locker, dass es ihr in der Wendung gelegentlich die Hinterbeine richtiggehend wegzog. Bis dato konnten wir dieses Problem hauptsächlich im Trab beobachten, es sieht fürs Pferd richtig schmerzhaft aus, für den Reiter ist es auch ein Risiko, wenn das Pferd dadurch stürzt. Diese Rutscher traten häufig in Phasen des Wiederaufbaus auf.
- Paraden verpuffen (mangelnde Versammlungsbereitschaft)
- Knieband „Rutscher“
All diese Entwicklungen und bisherigen erfolglosen Therapien veranlassten uns dazu, Lola einzuladen und einen Tag in der Klinik in Tillysburg zu verbringen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Schon damals war die Diagnose, dass es sich um ein Muskelproblem handeln muss, es wurde aber eher auf eine Verletzung getippt. Lola bekam ein Spezialtraining über einige Monate verordnet.
Nach und nach wurde auch das Longieren schwieriger, Lola hatte enorme Probleme damit auf einem Zirkel zu laufen und dabei nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zumindest sah es so aus als hätte sie das Gefühl ständig aus der Balance zu kommen und versuchte dieses Gefühl mit immer höherer Geschwindigkeit zu kompensieren. Dabei kippte sie über die innere Schulter und hält den Hals und Kopf nach außen, um nicht umzufallen. Hörte sie dann auch noch irgendein Geräusch, dass sich dazu eignet, total außer sich zu geraten (anderes Pferd geht außerhalb der Halle vorbei), hielt sie nichts mehr. Einige Runden Galopp in völlig aberwitzigem Tempo und maximaler Schräglage, Hallenboden mit Kratern übersäht, Verlust des Longenführers, Abreißen von Longen oder Karabinern, all diese Vorfälle häuften sich und wir fragten uns, wohin sich Lolas Ausbildung verabschiedet hatte. Bei einer dieser unglücklichen Episoden zog sie sich einen Fesseltraegerschaden hinten links zu. Die darauffolgende lange Pause (Schrittgehen und Laufbandtraining) und vorsichtiges Wiederanreiten haben ihr psychisch und physisch ordentlich zugesetzt was sich mitunter in sehr explosivem Verhalten (buckeln, bocken, steigen beim Führen an der Hand) äußerte.
- Schwierigkeiten beim Longieren
- Explosives Verhalten
Im Sommer 2016 ging es wieder etwas bergauf, zumindest konnten wir mit einiger Regelmäßigkeit trainieren. Der darauffolgende Herbst jedoch war eine fast exakte Kopie des Vorjahres, Fesselträgerschaden nach verrückt herumspringen, diesmal aber auf dem anderen Hinterbein, also wieder Laufbandtraining und langsames Comeback im Frühling 2017. Im Sommer 2017 gab es wieder gute Fortschritte im Training, bevor sich im Herbst wieder Lolas Laune, Schwung und Allgemeinzustand verschlechterten. Mittlerweile kam diese Systematik nicht mehr unerwartet.
- Saisonale Schwankungen (Sommer/Weidezeit immer besser)
Diesen Winter haben wir tatsächlich ohne gröbere Verletzungen überstanden… vielleicht weil wir mittlerweile vom Longieren abstand genommen haben oder der ganzen Angelegenheit mit entsprechendem Fatalismus begegnen. Die eigentliche Überraschung folgte dann im Sommer, da ging gar nichts mehr, kein Vorwärtskommen, Schwierigkeiten beim Führen auf die Koppel (extrem langsam), gepaart mit teilweise sehr explosivem Verhalten beim Reiten. Beim Hinunterführen von der Koppel hatte sie große Schwierigkeiten, ihre Hufe halbwegs unter den Schwerpunkt zu setzen.
- Schleifende, mitunter einknickende Hufe beim bergabgehen
- Kopfschlagen beim Galoppieren
Als dann auch beim Reiten immer weniger Bewegungsfreude merkbar wurde und die undefinierbaren Lahmheiten wieder auftraten, machten wir im Herbst 2018 einen weiteren Ausflug in die Klinik nach Tillysburg. Lola war beim Vortraben und Reiten richtig lahm und dennoch gab es keine eindeutige Diagnose, sondern weiterführende Tests und Untersuchungen. Nach Beratungen mit unserer Tierärztin ließen wir sie schließlich auf Erbkrankheiten testen mittels Blutuntersuchung, auch hier kein Ergebnis. Das hatte uns aber auf eine Spur gebracht, also lasen wir uns in die Forschungsberichte bzw. empirischen Erfahrungen von Pferdebesitzern aus dem englischsprachigen Raum ein und einige dieser Geschichten und Videos kamen uns so vertraut vor, dass wir nicht sehr überrascht waren, als wir Ende des Jahres dann Lolas Haare zur Genanalyse* einschickten und ein positives Ergebnis zurückbekamen, der Feind hatte einen Namen – PSSM2 (n/P2, n/Px).
*Auch wir verfolgen die Diskussionen darüber welche Aussagekraft die Genanalyse im Vergleich zu einer Muskelbiopsie hat. Wir haben uns für die schmerzfreie Variante entschieden in Absprache mit unserer Tierärztin.